Sunlight im Norden: Dresden, das Elbflorenz
Dresden
Montag, 23. bis Freitag, 27. August 2021
Die Reise bringt uns durch Regen und (nach langer Zeit Flachland wieder) über Hügel nach Dresden, jedenfalls nachdem wir so langsam aber sicher denken, wir müssten bald mit dem Fahrrad nach einer Tankstelle suchen. Noch knapp im weissen Bereich der Tankuhr kommen wir an eine landwirtschaftliche Raiffeisen-Tankstelle, an der man nur mit Karte bezahlen, aber immerhin auch Ad-Blue tanken kann. Könnte, denn zu unserem Leidwesen nimmt die Zahlstation keine unserer Karten an. Die nächste Tankstelle ist so versteckt, dass wir sie erst entdecken, nachdem wir wieder vom Gelände weggefahren sind. Aber die dritte hat alles, sodass wir nach dem Bunkern beruhigt weiterreisen können.
Das Navi weist uns genau die Einfahrt in den diesmal vorreservierten Campingplatz Mockritz bei Dresden an. Man sucht sich einen Platz, während die Rezeption geschlossen ist und meldet sich erst später an. Die Comfort-Plätze erhält man nur, wenn man eine Woche bleibt (Wasser- und Abwasser- sowie Stromanschluss). Weil es so stark regnet und keine Aussicht auf Besserung besteht, bleiben wir am Dienstag auf dem am Montag gewählten Platz stehen. Am Mittwoch sollten wir waschen können, weil es dann genügend lange nicht regnet, um die getrocknete Wäsche genau so bis zum Camper zurück zu bringen.
Heute Dienstag treffen wir uns mit einem Herrn, den René in Damp antraf, als er 2019 aus der Schlei wieder in die Ostsee segelte. Die beiden halten bis heute Kontakt. Dieser Herr will uns Tipps geben, was wir am besten in der Gegend unternehmen könnten. Während dieser Führung durch die Altstadt verstehen wir sehr gut, warum Dresden seinen Beinamen Elbflorenz erhielt.
Altstadt Dresden zu Fuss
Dienstag, 24. August 2021
Heute fängt die Schule im Kanton Zürich wieder an, was bedeutet, dass nicht nur das ehemalige Kollegium der Autorin wieder antritt, sondern drei des Skippers Enkel heute den Erststart in die Schule oder den Kindergarten unternehmen, während die vierte Enkelin so routiniert ist, dass das zweite Kindergartenjahr sie kühl lässt. Wir wünschen das Beste und viel Glück.
In der Pragerstrasse warten wir auf Stephan. |
Mit dem Bus 66 sollen wir zum Hauptbahnhof Dresden gelangen, von wo aus wir zur Prager-Strasse wandern, um hier Stephan zu treffen, welcher uns Tipps für unseren Aufenthalt geben will. Er findet uns in einem Café und überlässt uns eine gefühlte vielfältige Reise-Bibilothek mit Informationen aller Art über Dresden, worunter zwei Stadtpläne.
Aus dem Gespräch mit schier unerschöpflichen Tipps wird eine Altstadt-Führung der intensiveren Art, denn der Journalist weiss einfach über alles Bescheid und reichert es mit Anekdoten aus dem Reporter-Leben an. Sein schlimmstes Erlebnis war eine Pegida-Versammlung, die er von einem Hotelzimmer hoch über den Menschen zur Berichterstattung verfolgen konnte. Nach ihren Statements sei ihm einfach übel gewesen. Sein schönstes Erlebnis hingegen ist, dass er den Bomber-Flieger der Royal Air Force nach intensiven Recherchen fand, welcher damals die Frauenkirche auf Befehl der Alliierten zerstört hatte. Denn dieser Flieger zeigte sich sofort bereit, nach Dresden zu fliegen und den Wiederaufbau dieses bedeutenden Gebäudes zu unterstützen. Was für ein Recherche- und menschlicher Erfolg!
Altmarkt |
Kreuzkirche |
Zwinger |
Stephan und der Skipper |
Semperoper |
Residenzschloss mit Königs-Relief |
Blick von den Brühl'schen Terrassen |
Filmnächte am Elbufer |
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Frauenkirche |
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Tramhalte Pirnaischer Platz |
Wie in Berlin und Hamburg funktioniert auch hier der Öffentliche Verkehr mit all seinen Umsteigemöglichkeiten und der hohen Fahrfrequenz hervorragend zu einem Preis, den man sich leisten kann. Während man allerdings in Hamburg und Berlin die Fahrkarten im Bus lösen kann, muss man in Dresden aus Corona-Gründen eine Haltestelle mit Fahrkarten-Automaten finden, um zu einem Ticket zu kommen. Während der eine Bus-Chauffeur gehetzt einfach weiter fährt und wir nach dem Lösen auf den Folgebus warten müssen, nimmt der andere sich freundlich die Zeit, um auf die beiden jungen Männer zu warten, bis sie ein Billett erworben haben.
Andere Camper schliesslich entdecken gleichzeitig mit uns, dass in der Rezeption selbst Fahrkarten, sogar für den Folgetag zu erhalten sind.
Der Campingplatz Mockritz verfügt neben Comfort-Plätzen auch über ein kleines Schwimmbad, das am Morgen früh oder bei zweifelhafter Witterung von der Autorin alleine benutzt wird. Fürs Duschen erhält man Duschmarken, die scheinbar im Preis inbegriffen sind und wovon eine einzige für eine ausführliche Dusche reicht.
Manchmal dauert es in Dresden sehr lange, bis ein brach liegendes Gelände wieder überbaut wird, doch das Warten lohnt sich, denn die Architekten setzen sich mit ihren Bauten ein Denkmal. In der Altstadt wurde beinahe alles, was im Krieg in Trümmern lag, nach den alten Plänen wieder aufgebaut. Vieles ist bestimmt museal, doch Dresden lebt auch. Hotels, Kneipen, Läden und Lädchen, sogar Wohnungen beleben nicht nur das Quartier nördlich des Hauptbahnhofes, sondern die ganze Altstadt. Versteckte Gässchen enthüllen Kleinode an Kunsthandwerk.
Parks und kleine Baum-gesäumte Wiesen bieten Erholung und frische Luft. Über die Brühlterrassen (Herr Brühl vermittelte August dem Starken die Geliebte Cosel, deren gesetzlicher Vertreter er wurde, als das Verhältnis sich verschlechterte, der aber in den guten Zeiten mit seiner Entlöhnung gut umzugehen und viele Gebäude anzuschaffen, zu erweitern oder umzubauen wusste.) geht es zurück zum Tram, das uns zum Bus an der Haltestelle Hauptbahnhof und dieser uns schliesslich zum Campingplatz führt, welcher über eine eigene Haltestelle verfügt. Ein Schwumm beschliesst den Tag.
Stefans Stadtrundfahrt für uns in seinem Cabriolet
Mittwoch, 25. August 2021
Im Café Europa schräg vis-à-vis von der "Schauburg" warten wir bei einer Suppe, die wir noch nie gegessen hatten, die aber sehr mundet (Gehacktes mit Käse und Lauch) auf Stefan und sein Cabriolet. "Schauburg", das kenne ich aus den niederländischen Texten. Man geht in die Schouwburg für ein Theater oder eine andere Aufführung. Deutsch ist es mir nie vorher aufgefallen und meint Kino.
Haus der Presse |
Probelokale der Semperoper |
Wir wursteln uns vierfach gefaltet in bester Stimmung in den offenen Privat-Hop-on-Hop-off-Bus mit fachkundigen Erläuterungen, besuchen die Redaktion der TAG24, betrachten Dresden von deren Terrasse herunter aus der Vogelperspektive, wobei wir die Proberäume der Semper-Oper fotografieren und andere bereits am Vortag rekognoszierte Gebäude und Strassen. Das "Blaue Wunder" überqueren wir filmenderweise und damit auch die Elbauen. Es gibt verschiedene Erklärungen, warum diese vielfach verstrebte Stahlbrücke ihren Namen verdiene, jedenfalls sieht sie eindrücklich graubläulich aus, heisst eigentlich Loschwitzer Brücke und verbindet Blasewitz am linken Elbufer mit Loschwitz am rechten Ufer. Bereits seit 1893 führt diese fünfte Brücke über die Elbe.
Das Blaue Wunder |
Elb-Pegel zu den diversen Hochwassern |
Diese Seite Dresdens verfügt sogar über zwei Bergbahnen, eine Standseilbahn und eine Schwebebahn, deren Talstationen nur gerade 150 Meter von einander entfernt liegen.
Konzertplatz Weisser Hirsch |
Lahmann Sanatorium Damenbad als Lofts |
In den Loschwitzer Elbschlössern nehmen wir einen Kaffee mit Blick über die Elbauen und in die Sächsische Schweiz. Später geht die Fahrt weiter zum Weissen Hirsch, in dessen Wald normalerweise Konzerte in einer natürlichen Arena stattfinden. Daneben befindet sich die in Lofts umgebaute Bäderlandschaft Dr. Lahmanns, eines bekannten Arztes, der um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert, wie Frau Doktor Lucci-Purtscher in Wädenswil, auf Luft, Wasser und Ruhe baute. Zara Leander, welche hier kurte, wird im Namen einer der Wohnungen verewigt: Das Haus Zara. Der Architekt Daniel Libeskind, welcher in Berlin das Jüdische Museum baute, konstruierte in Dresden das Militärhistorische Museum.
Blick von den Elbschlössern auf die Reben |
Viel zu schnell nimmt diese Fahrt ein Ende in einem zu einem phantastischen Klein-Dorf umgebauten Hinterhof, der innerhalb des Künstler-Quartiers in Dresden Neustadt liegt. Es ist "Die Kunsthofpassage", welche unterschiedlichstes Kunsthandwerk, Kneipen, kleine Läden und Wohnungen hinter kunstvoll verputzten und geschmückten, an Tinguely erinnernde, Fassaden beherbergt.
Kunsthofpassage |
Den Sonntagsausflug mit Stefan sagen wir bereits am Donnerstag ab, weil wir das üble Wetter nicht mehr aushalten. Noch kein einziger Abend unserer bisher gut sechswöchigen Reise verlockte so richtig dazu, draussen zu sitzen. Entweder war es seit unserer Abfahrt in Wädenswil zu kalt oder zu regnerisch oder beides. Jedenfalls kommen hier in Dresden-Mockritz Bäche über die Wege herunter, in der Sächsischen Schweiz drohen Hochwasser und es muss mit schweren Gewittern gerechnet werden.
Der Weg als Bach |
Die durch unseren Reiseleiter zur Verfügung gestellten Dresden- und Museumsführer schicken wir per Post von Dresden Südhöhe an Stefan zurück.
Ganz vielen herzlichen Dank, Stefan, für deine unerschöpflichen Erklärungen während der beiden total unterschiedlichen Touren durch Dresden. Wir haben sie sehr genossen.
So geht es mit einem lachenden und einem weinenden Auge am Freitag weiter nach Kissing zu Magda.